Es gibt Websites, die lesen sich so schwer wie die letzte Zeile eines Sehtests.
Die meisten Besucher entschlüsseln solche Websites nur, wenn sie dort das Geheimnis des Bernsteinzimmers vermuten.
Falls nicht, retten sie sich lieber auf eine augenfreundlichere Seite.
Und so verflüchtigt sich auch Ihre Chance auf neue Kundenkontakte.
Möchten Sie das Maximum an potenziellen Kunden erreichen, müssen Sie Ihren Besuchern den Einstieg in die Texte so schmackhaft wie möglich machen.
Die Schriftgröße ist dabei ein wichtiger Türöffner.
Lesestationen
- 1 Lesen erforderlich: Informationen und Handlungsaufforderungen in Webtexten
- 2 Eine kleine Schrift = schlechtes Webdesign = genervte User
- 3 Kleine Schrift: irritiert nicht nur Menschen mit Sehschwäche
- 4 16 Pixel: ideale Schriftgröße für angenehmes Lesen am Bildschirm
- 5 Sans serif oder serif? – Empfehlung für die optimale Schriftart
- 6 „Was ist mit Zoom, Reader und Browser-Einstellungen?“
- 7 Das Wichtigste in Kürze
- 8 Nachgefragt
Lesen erforderlich: Informationen und Handlungsaufforderungen in Webtexten
Besucher müssen Webtexte lesen. Erfolgreiche Websites leben davon.
Kein Wunder: Denn 95 Prozent der Informationen im Web sind reiner Text.
Durch Webtexte erfahren Besucher mehr über Sie, Ihr Unternehmen, Ihre Produkte oder Dienstleistungen.
Schreckt eine kleine Schrift Ihre Besucher ab, ist das Gift für Ihr Online-Geschäft. Denn wer Ihre Webtexte nicht liest, folgt in der Regel keinen Handlungsaufforderungen (Calls-to-Action):
- Besucher kaufen nichts,
- klicken nicht auf „Gefällt mir“,
- teilen Ihren Inhalt nicht,
- bestellen nicht Ihr E-Book,
- tragen sich nicht für Ihren Newsletter ein und
- laden auch nicht Ihr Whitepaper herunter.
Sie verlieren Kunden und Umsatz – Ihr Online-Business leidet.
Eine kleine Schrift = schlechtes Webdesign = genervte User
Sie fragen sich jetzt: „Was ist an einer kleinen Schrift so schlimm? Sie wirkt doch kompakt und passt super zum Webdesign.“
Ästhetik und Benutzerfreundlichkeit sind nicht immer die besten Freunde. Beim Thema Schriftgröße liegen sie sich oft in den Haaren.
Auch wenn es fies ist: Schlagen Sie sich auf die Seite der Benutzerfreundlichkeit. Immer! Denn Besucher sollen in den meisten Fällen nicht die atemberaubende Schönheit Ihrer Website bewundern – sie sollen die Texte lesen. Und das geht am besten mit einer leserfreundlichen Schrift.
Tatsächlich ist eine zu kleine Schrift ein Zeichen für schlechtes Webdesign. 2005 hat der bekannte Usability-Forscher Nielsen seine Newsletter-Abonnenten darum gebeten, einmal die lästigsten Übel der Benutzbarkeit von Websites zu benennen.
Das Ergebnis: Benutzer hassen zu kleine Schriftarten. Sehr sogar: Sie wählten sie auf Platz eins – mit zweimal mehr Stimmen als Platz zwei. Insgesamt zwei Drittel der Befragten regten sich darüber auf.
Ich weiß, was Sie jetzt denken: „Das ist doch fast 10 Jahre her. Die Zeiten ändern sich.“
Nicht immer. Eine kurze Recherche im Netz ergibt: Dieser „Webtrend“ hält sich hartnäckig und zählt immer noch zum schlechten Webdesign.
Ein Beispiel, schauen Sie selbst: Der Hauptinhalt bei fast allen Themes auf Themeforest hat eine voreingestellte Schriftgröße von 12 oder 13 Pixeln.
Kleine Schrift: irritiert nicht nur Menschen mit Sehschwäche
Versuchen Sie mal einen langen Text mit kleinen 13 Pixeln, winzigen 12 Pixeln oder mickrigen 10 Pixeln zu lesen.
Für Ihre Augen ist das die reinste Zumutung.
Vor allem dann, wenn Sie nicht mehr die allerbesten haben.
Tragen Sie eine Brille? Wenn ja, gehören Sie genau wie ich zu den über 40 Millionen Brillenträgern in Deutschland: Rund 63 Prozent der Erwachsenen ab 16 Jahren besitzen eine. Oder anders ausgedrückt: Vier von sieben Personen haben eine Brille.
Kontaktlinsenträger und sehbehinderte Menschen sind in dieser Statistik nicht erfasst. Wären sie es, würde sich die Vier mehr zur Fünf neigen.
Sie können also annehmen: Ein Großteil Ihrer Website-Besucher hat eine Sehschwäche.
Ab dem 60. Lebensjahr nimmt der Anteil der Brillenträger drastisch zu und steigt auf 93 (!) Prozent.
Selbst für Menschen mit Adleraugen ist eine kleine Schrift schwierig zu lesen. Unbewusst beugen sie sich weit über die Tastatur, kneifen die Augen zusammen und runzeln vor Anstrengung die Stirn.
Spätestens ab 40 wird das Lesen für alle anstrengender. Die Ursache liegt in der Linse. Sie verliert mit zunehmendem Alter ihre Biegsamkeit und wird härter. Die Folge: Nahes verschwimmt, wird unscharf. Die Lesebrille wird zum ständigen Begleiter.
Aber nicht nur die Linse unterliegt altersbedingten Veränderungen. Auch die Pupille altert. Sie wird enger und lässt mit fortscheitendem Alter immer weniger Licht ins Auge. Im Gegensatz zu früher benötigt man nun drei- bis viermal mehr Licht.
Für einen 40-Jährigen ist das so, als hätte jemand das Licht gedimmt. Er muss sich mehr bemühen als ein 20-Jähriger unter den gleichen Bedingungen. Ein 60-Jähriger hat es noch schwerer: Er liest nur noch im Schummerlicht.
Mit diesem Wissen im Kopf betrachten Sie jetzt Ihre Zielgruppe: Wie alt ist diese?
Und wie groß ist die Schrift auf Ihrer Website?
Empfangen Sie Ihre Besucher auch mit einem Sehtest?
16 Pixel: ideale Schriftgröße für angenehmes Lesen am Bildschirm
Sie halten das für übertrieben groß? Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung nach diesem Abschnitt.
Wie weit entfernt halten Sie ein Buch, eine Zeitschrift oder Ihr Smartphone, wenn Sie lesen?
Gewöhnlich beträgt der Abstand zu Ihren Augen circa 30 bis 40 Zentimeter. (Haben Sie es überprüft?)
An einem Desktop-Computer ist der ideale Abstand doppelt so weit: nämlich zwischen 60 und 70 Zentimeter. Das entspricht ungefähr einer Armlänge.
Die Schriftgröße in Büchern liegt zwischen 10 und 12 Punkten. Diese Größe ist angenehm zu lesen.
Websites mit einer kleinen Schrift sind wie Bücher, die man bei ausgestrecktem Arm lesen muss. Die Schrift wirkt durch den größeren Abstand kleiner, als sie eigentlich ist.
Ausgleichen können Sie diesen Effekt, indem Sie die Schrift auf Ihrer Website vergrößern – und zwar auf circa 16 Pixel. Das entspricht der 12-Punkt-Schrift im Buch.
Je nach Schriftart müssen Sie diese Größe nach oben oder unten anpassen. Beispielsweise lesen Sie gerade die Schriftart „PT Sans“ mit 19 Pixeln (Stand: 07.03.2016 – möglich, dass ich sie in Zukunft ändere).
Sans serif oder serif? – Empfehlung für die optimale Schriftart
„PT Sans“ ist übrigens eine Schrift ohne Serife (französisch: sans serif). Man nennt diese Schriftartenfamilie auch „Grotesk“.
Wie Sie auf dem Bild sehen können, sind Serifen feine Schnörkel an den Enden der Buchstabenstriche. Bei einer Sans-Serif-Schrift fehlen diese. Daher auch ihr Name: ohne Serife.
Schriften mit Serifen werden oft in Printmedien verwendet. Serife sind Lesehilfen: Buchstaben wirken durch sie komplexer und schärfer. Unser Gehirn kann Buchstaben dadurch leichter erfassen.
Fürs Lesen am Bildschirm sind sie aber gerade deswegen problematisch. Das liegt an der schlechteren Auflösung: Printartikel haben eine zehnmal höhere Punktdichte als Computerbildschirme.
Serifenlose Schriften besitzen einfache, klare Linien und eignen sich deshalb für das Bildschirmlesen besser.
Als allgemeine Empfehlung gilt:
Ähnlich wie in diesem Blogbeitrag.
Möchten Sie für den Hauptinhalt Ihre Serif-Schrift beibehalten, achten Sie auf eine ausreichende Schriftgröße (vergleichen Sie wenn nötig die Schriftgröße mit einem Buch bei entsprechendem Abstand wie oben auf dem Bild).
Ihre Besucher werden es Ihnen danken: Sie müssen weniger Zeit damit vergeuden, die Schrift zu entziffern. Stattdessen konzentrieren sie sich mehr auf die Botschaft Ihrer Webtexte.
„Was ist mit Zoom, Reader und Browser-Einstellungen?“
Zoom, Lese-Tools wie der Reader und eigene Browser-Einstellungen sollen das Online-Lesen erleichtern.
Der Haken ist: Die wenigsten nutzen diese Tools – auch dann nicht, wenn sie wissen, wo man sie findet wie etwa die versteckte Zoom-Funktion des Browsers.
Gerade Menschen im Alter von 65 plus, die die Schriftgröße oft anpassen müssen, kennen diese Hilfsmittel nicht.
Es ist ein Trugschluss, anzunehmen, Ihre User würden sich bei einer Minischrift schon zu helfen wissen. Im schlimmsten Fall verjagen Sie dadurch potenzielle Kunden, weil diese Webtexte mit kleiner Schrift nicht lesen können oder wollen.
Besucher haben schlichtweg keine Lust, die Schriftgröße manuell zu vergrößern. Sie haben es eilig, sind oft ungeduldig und erwarten gut lesbaren Content mit vielen hilfreichen Informationen.
Ein fähiger Texter kann sich noch so viel Mühe geben: Ist die Verpackung abstoßend, stürzt sich niemand auf den Inhalt.
Das Maximum an möglichen Kunden erreichen Sie, indem Sie Ihren Besuchern entgegenkommen: Gestalten Sie Ihre Webtexte benutzerfreundlich und einladend. Hilfreich sind: bequeme Schriftgröße, Leerräume, Überschriften, Aufzählungen, Bilder und Bildunterschriften (darüber folgt demnächst ein ausführlicher Beitrag).
Hält ein User Ihren Content für geeignet, liest er ihn gründlich – und das auch Wort für Wort; ungeachtet der Länge.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine kleine Schrift ist ein Indiz für schlechtes Webdesign.
- Sie ist kaum lesbar. Vor allem lange Fließtexte werden zur Qual.
- Menschen mit Sehschwäche und Personen ab 40 haben besonders damit zu kämpfen.
- Die Zielgruppe 65 plus hat durch altersbedingte Veränderungen fast immer Probleme mit den Augen und folglich auch mit einer winzigen Schrift.
- Die optimale Schriftgröße liegt bei 16 Pixeln. Je nach Schriftart müssen Sie nach oben oder unten korrigieren.
- Sans-Serif-Schriftarten sind fürs Lesen am Bildschirm besser geeignet. Wählen Sie für lange Fließtexte (z. B. Blogartikel) eine Schrift ohne Serifen. Für Überschriften eine mit Serifen.
Generell gilt:
Nachgefragt
Verwenden Sie auf Ihrer Website eine kleine Schrift für den Fließtext? Wenn ja: Werden Sie sie ändern?
Wie reagieren Sie, wenn Sie auf einer Website mit Minischrift landen? Klicken Sie sofort wieder weg oder quälen Sie sich tatsächlich durch den Text? Ich freue mich auf Ihren Kommentar!
[…] Source: http://www.textschoepfung.de […]
Hallo Frau Reimann,
ein interessanter Beitrag und ja, ich werde nun meine Schriftgröße ändern. Allerdings hatte ich diese bereits auf 16. War dennoch etwas zu klein, meines Erachtens…
Viele Grüße
Michael
Guten Tag, Herr Feigel,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich benutze aktuell die Schrift PT Sans bei einer Schriftgröße von 19 Pixeln. Eine gut lesbare Schriftgröße ist also immer abhängig von der verwendeten Schriftart. Wenn man sich nicht sicher ist, kann man immer den Buchtrick machen: Einfach die Schriftgröße mit der im Buch vergleichen.
Herzliche Grüße
Janett
Hallo Janett,
gerne doch. 19 Pixel klingt anfangs „riesig“, ist aber wirklich eine gute Wahl 😉
Liebe Grüße
Michael
Hallo Janett, ich habe Ihren Artikel durch eine Suchmaschine gefunden. Für die Neugestaltung der Homepage meines Arbeitgebers suchte ich nach DER Schriftgröße bzw. DER Schriftart. Ihre Ausführungen haben mich zum Nachdenken gebracht und ich bin froh, dass ich Ihren Text gefunden habe. Sehr gut erklärt, verständlich für Jeden, der sich auch nur halbwegs mit Internet auskennt.
Interessant auch Ihre Aussage, dass Inhalte möglichst ohne Hilfsmittel les- und sichtbar dargestellt werden sollten. Für jemanden wie mich, der sich im Internet und mit dem PC auskennt ist die Herangehensweise von weniger internetaffinen Menschen nicht immer bewusst.
Wie gesagt, vielen Dank für diesen Artikel.
Hallo Micha,
vielen lieben Dank für das Lob. Ich freue mich immer sehr, wenn meine Artikel weiterhelfen. Dafür schreibe ich sie ja. 🙂 Ich hoffe, Sie konnten eine passende Schriftart für die Website Ihres Arbeitgebers finden.
Zu Ihrem zweiten Punkt bezüglich der Hilfsmittel. Selbst internetaffine Menschen nutzen diese kaum. Dem liegt ein einfaches Prinzip zugrunde: Bequemlichkeit. Ich beobachte es an mir selbst beinahe täglich. Begegne ich einer Website mit kleiner Schrift, suche ich lieber nach der nächsten, als umständlich (und zeitaufwendig) die Schrift meines Browsers zu vergrößern. Man hat es eben eilig und bei dem großen Angebot an qualitativem Content findet man die Informationen schnell auf einer anderen Seite.
Herzlichen Dank für Ihren Beitrag!
Viele Grüße
Janett
Danke für den informativen Artikel!
Hallo David,
gern geschehen und vielen Dank für das Lob! 🙂
Viele Grüße
Janett
Hallo
Am PC mit Strg + vergrößern und Strg – verkleinern ist kein Aufwand.
Gruß
Josef
Hallo Josef,
da stimme ich Ihnen zu. Arbeit macht das wirklich nicht, nur sind viele Internetnutzer nicht einmal dazu bereit, diese kleine Tastenkombination zu betätigen. Wenn der Inhalt nicht gut lesbar ist, klickt man in der Regel eben auf eine andere Seite. Hinzu kommt noch, dass nur die wenigsten die Tastenkombination zum Anpassen der Schriftgröße auch wirklich kennen (siehe hier). Deswegen fährt man immer auf der sicheren Seite, wenn man es seinen Lesern so einfach wie möglich macht.
Viele Grüße
Janett
[…] textschoepfung.de gibt es weiterführende Tipps zum […]
[…] Schriftgröße im Web: Sind Ihre Webtexte überhaupt lesbar? Ein sehr ausführlicher und begründeter Artikel zu Schriftgrößen auf Website von Janett Reimann. Unbedingt lesens- und zitiertwert. […]
Hallo. Schöner Artikel, aber das Wort „Handlungsaufforderungen“ ist so groß, dass es nicht auf meinen Bildschirm (Mobiltelefon) passt.
Vielleicht wäre das eine Idee für Die: Es gibt dafür das soft-hyphen, mit dem Sie Wörter bedarfsabhängig Trennen können:
Handlungsaufforderungen
Da wird das Wort, wenn es nicht hinpasst, mit Bindestrich am getrennt.
VG Manuel
Hallo Manuel,
vielen Dank für das Lob. Und ein noch größeres Dankeschön für den wirklich hilfreichen Tipp mit dem weichen Trennzeichen. Ich habe es gleich umgesetzt.
Viele Grüße
Janett
Ich habe auch Mühe viele Seiten zu lesen und nutze oft die Strg + Tastenkombination. Auf dauer fand ich es aber ziemlich nervig und beschloss dann die Schriftgröße auf meiner Seite zu vergrößern. Dabei bin ich hier auf diese Seite gelandet.
Ich finde diese Größe sehr angenehm zu lesen und habe deswegen beschlossen das auch auf meiner Seite zu übernehmen. Von daher vielen Dank für den Bericht hier 🙂
Es freut mich sehr, dass Sie den Artikel hilfreich fanden. 🙂 Schön, dass Sie auch den Besuchern Ihrer Website das Lesen erleichtern.
Cooler Artikel. Mich haben auch schon öfters Seiten mit kleiner Schriftart genervt. Augen zusammenkneifen und näher an den Bildschirm..
Den Vergleich mit den Büchern fand ich sehr interessant und einleuchtend.
Konnte Ihren Artikel auch hervorragend lesen, ohne vor Anstrengung genervt die Seite wieder zu verlassen.☺️
Vielen Dank!
Lieber Lars,
herzlichen Dank für das Lob! Das höre ich natürlich gern. 🙂
Viele Grüße
Janett